Die Veröffentlichung von zwei neuen Funden aus dem Zweistromlande (1, 2, 3) ist geeignet, mehr Licht auf die viel umstrittene Frage zu werfen, welcher Art die von den alten Sumerern im dritten vorchristlichen Jahrtausend als Zugtiere vor den Kriegswagen verwendeten Einhufer angehört haben. Bekanntlich stehen sich diesbezüglich mehrere Anschauungen gegenüber: die einen behaupten, diese Tiere wären Esel oder Angehörige des dort wild vorkommenden syrischen Halbesels (Equus hemionus hemippus Geoffr.), die anderen sehen in ihnen Pferde oder Maultiere, also Bastarde von Pferden, und sind geneigt, diese Darstellungen als Beweise für ein weit höheres Alter der Pferdezucht im vorderen Orient anzusehen, als man früher angenommen hatte. Ich habe kürzlich an anderer Stelle (4) alles zusammengestellt, was m. E. für die Deutung als Onager spricht. Die Funde von Mari und Tell Agrab stützen diese „Onagerhypothese” neuerlich und beleuchten gleichzeitig die Frage der Anschirrung und Aufzäumung in sehr willkommener Weise. Wir wollen uns zunächst dieser Frage zuwenden. Das Mosaik von Mari bestätigt vor allem die schon nach der Entdeckung des sogen. Standarten-Mosaiks von Ur sehr wahrscheinliche Vermutung, dass die Zugtiere Beisskörbe getragen haben. Und zwar erscheinen diese Maulkörbe an dem Mosaik von Ur voll, an jenem von Mari gitterartig geflochten (vgl. 2, Abb. 3), in beiden Fällen aber umfassen sie das Maul vorne nicht ganz, sondern lassen den Vorderteil, also die vorderen Lippen und den Nüsternrand frei. Mit voller Deutlichkeit erkennt man auch den Grund für diese zunächst befremdliche Tatsache: die Tiere trugen an dem nicht vom Maulkorb umfassten Teil des Maules einen Ring. Wozu dieser diente, zeigt sehr deutlich die prachtvolle Kupferplastik von Teil Agrab: obwohl sie selbst weder Beisskörbe noch Ringe erkennen lässt, ersieht man doch, dass die Zügel des mittleren, unter dem Joch gehenden Gespann-Paares von dort ihren Ausgang nahmen, ebenso wie die Zügel, welche die beiden äusseren Tiere mit dem mittleren Paar verbanden. Es ersetzten diese Ringe also in Zweck und Wirkung das später übliche „Gebiss”. Da das Mosaik von Ur die fraglichen Viergespanne stets als Hengste erkennen lässt, ist auch der Zweck der Beisskörbe vollständig klar: Verhinderung des Beissens nicht nur nach dem Fahrer, sondern vor allem auch nach dem Nachbarhengst. Offen ist bisher nur die Frage nach der Anbringung des Ringes. SCHAEFFER wendet sich mit Recht gegen die Annahme von Nasenringen nach Art der bekannten Bullenringe. Aber auch seine Deutung als „Lippenringe”, also Ringe, die die Oberlippe in senkrechter Stellung durchbohrten, befriedigt nicht recht und zwar aus einem biologischen Grund. Beobachtet man irgendeinen Einhufer — sei es Pferd, Esel oder Halbesel — bei der Nahrungsaufnahme, insbesondere beim Weiden, so erkennt man sofort, welche ungeheure Wichtigkeit gerade der Oberlippe dabei zukommt. Jeder Bissen und Halm wird mit der zugreifenden Lippe erfasst, ganz anders als bei den Wiederkäuern, die viel mehr mit Zunge und Jnzisivteil grasen, ohne dass die Lippen in besondere Tätigkeit treten. Ein an der Lippe befestigter Ring würde die Nahrungsaufnahme, wenn nicht unmöglich machen, so doch ausserordentlich erschweren — ganz besonders dann, wenn er im mittleren, als Greiffinger benützen Teil der Lippe angebracht wäre. Dagegen fordert der bei allen Einhufern stark abstehende untere Rand der Nüstern geradezu heraus, wenn man eine Stelle sucht, an der ein solcher Ring befestigt werden könnte. Das gilt vor allem für die Halbesel, deren ausserordentlich weite, in der Erregung oder beim Schreien trompetenartig vorgestülpte Nüstern jene der Pferde oder gar der echten Esel in dieser Beziehung noch weit übertreffen. Ein solcher am Unterrand der Nüstern angebrachter Ring würde die Nahrungsaufnahme in keiner Weise behindern, dabei aber leichter anzubringen sein und mindestens die gleiche bändigende Wirkung ausüben, wie ein an der Lippe angebrachter. Die bisher bekannt gewordenen altsumerischen Darstellungen widersprechen dieser Annahme in keiner Weise.