Nordamerikanischer Bison und europäischer Wisent sind miteinander verwandte Wildrinder (nicht Büffel, wie man oft sagen hört), die sehr wahrscheinlich einen gemeinsamen Vorfahren haben, doch sollen an dieser Stelle weder Ort noch Zeit der Aufspaltung, weder die mutmaasslichen Wanderwege der beiden Zweige, noch der Grad der Verwandtschaft näher erörtert werden. Wir haben heute beide als gute Arten vor uns, innerhalb welcher mehrere Rassen bezw. »Schläge erkennbar waren und z. T. noch sind. Aber diese Rassenunterschiede innerhalb der einzelnen Arten werden seit einigen Jahrzehnten mehr und mehr verwischt und dürften verschwinden oder durch neue, erbfest gewordene Formen abgelöst werden, wenn sich die Züchter nicht noch in letzter Stunde dazu entschliessen, mit den Resten der alten reinen Typen schärfste Zuchtwahl zu treiben. Wenn so weiter gezüchtet wird wie bisher und alles in einen gemeinsamen grossen Schmelztiegel geworfen wird, werden nur „ein Bison"" und „ein Wisent"" übrig bleiben. So hatte sich z. B. schon in den europäischen Tiergärten im Lauf der Jahrzehnte eine Art „Normalbison"" von charakteristischer Prägung und beträchtlicher Grösse entwickelt. HEINZ HECK meint, dass als Grundlage hierfür eine heute verschwundene, aus dem Osten Amerikas stammende Bisonform gedient habe. Es ist das möglich, doch sind bestimmt schon vor zwei Jahrhunderten auch lebende Bisons desjenigen Typs in Europa gewesen, den wir heute als „südlichen Präriebison"" zu bezeichnen gewohnt sind (siehe Abb. 10!). Ähnlich wie sich der amerikanische Bison in Europa wandelte, veränderte er sich in Amerika selbst. Hier wurden nach dem katastrophalen Niedergang der Art an verschiedenen Stellen Bisonschutzparks eingerichtet und das Ausgangsmaterial ohne Berücksichtigung der Rassenangehörigkeit den Überschüssen anderer Herden entnommen. Die Überschüsse dieser neuen Parks wiederum wurden nach dem Gebiet des Waldbisons überführt; hier ist die Verschmelzung der ursprünglich sich getrennt haltenden kleinen Herden nur eine Frage der Zeit. Das Ergebnis dieser Experimente ist zwar keineswegs uninteressant, doch ist die Folge Herausbildung von Mittelformen aller Grade. So findet man zwar noch heut die kurzen kippmähnigen „südlichen Präriebisons"" in den südlichen, aber auch in den nördlichen Herden. Und in gleicher Weise ist der lange stehmähnige „nördliche Bison"" der Hauptbestandteil der nördlichen, besonders der canadischen Herden, ist aber auch im Süden zu finden. In allen Herden stecken heute beide Elemente und können in stets wechselndem Umfang wirksam werden.